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Vom Gehorsam zur Verantwortung

Verantwortung Gehorsam Kinder Familienberater

Wenn ich mit Eltern an dem Thema Verantwortung arbeite und ich ihnen die Frage stelle, was sie damit verbinde, nennen sie immer wieder Begriffe wie: Druck, Last, Schwere, Verpflichtungen, Ohnmacht, Müssen, Schuld, Belastung und Angst.

 

Das sind Begrifflichkeiten, die bei genauer Betrachtung Gehorsam beschreiben. Tauchen wir tiefer in dieses Thema ein, kristallisiert sich heraus, dass sie ihre Entscheidungen anhand dessen treffen, was man von ihnen vermeintlich erwartet.

 

Die Angst, Ausschluss, Demütigung und Strafen zu erfahren, sitzt tief. Wenn ich dann auf das Thema der eigenen Bedürfnisse, Grenzen und hohen Werte zu sprechen komme, wird es oft still. Ja, was sind eigentlich meine Bedürfnisse? Essen, trinken, schlafen etc., die gängigen Grundbedürfnisse, sind dann eben noch abrufbar. Doch was sind meine individuellen Bedürfnisse? Und was sind überhaupt hohe Werte?

 

Fragen, die zeigen, dass das Selbstgefühl unterdrückt ist.

 

 

Wie kommt es, dass so viele erwachsene Menschen Verantwortung mit Gehorsam gleichsetzen und zu wenig Selbstgefühl besitzen, um ihre eigenen Bedürfnisse und Werte leben und die Verantwortung dafür übernehmen zu können?

Unsere Gesellschaft ist in einer Prägung gefangen, die einem Teufelskreis gleicht. Denn sie traumatisiert uns in dem sensiblen Bereich unseres Selbstwertes. Wir lernen als Kinder, nur etwas wert und dadurch in Sicherheit zu sein, wenn wir uns so verhalten, wie es von uns erwartet wird. Ansonsten drohen Liebesentzug, existenzielle Bedrohung, Demütigungen und psychische bis körperliche Strafen. Das führt dazu, dass wir unsere eigenen Empfindungen als falsch wahrnehmen lernen. Und so unterdrücken wir sie mehr und mehr.

 

Selbst wenn unsere eigenen Eltern es schon anders machen wollten, haben es wohl die wenigsten umsetzen können. Denn wie sollten sie wissen, wie es geht, wenn sie es selbst so erfahren haben. Dazu kommen die Traumata, die sie in den entscheidenden Momenten eskalieren und in unliebsame Verhaltensmuster fallen ließen.

 

Und genauso geht es uns nun als Eltern.

 

 

 

Was können wir tun, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen?

Meiner Erfahrung nach ist der wichtigste Schritt, uns selbst wieder näher zu kommen, unser Selbstgefühl und dadurch unser Selbst-bewusst-sein zu stärken:

 

Wer bin ich:
„Was sind meine Fähigkeiten und auch meine Schwächen?“
„Und was brauche ich, damit es mir gut geht?“
„Was ist MIR wichtig im Leben?“
„Was ist MEIN Sinn im Leben, was lässt MICH lebendig fühlen?“

 

Das ist der Bereich, wo ich in meine persönliche Verantwortung eintrete und darüber hinaus in die Verantwortung zu meinen Kindern und Mitmenschen. Ich darf mich als Gestalter erfahren, indem ich selbstbestimmte Entscheidungen ohne Angst treffen kann. Die MEINEN hohen Werten entsprechen. Weil ich sicher bin, wertvoll zu sein. Selbst wenn ich Fehler mache.

 

Werte, welche für mich unverhandelbar sind. Bei denen ich mich innerlich aufrichte und in eine Resonanz gehe. Die mich innerlich stärken und tief berühren. In denen ich meinen Selbstwert geschützt und gewahrt sehe. Unabhängig von meinem Verhalten, meiner Meinung, meinem Wissensstands, meinem Aussehen oder meiner Herkunft. Sondern einzig und alleine, weil ich ein menschliches Wesen bin. Gehe ich aus dieser Haltung hinaus in die Welt und in meine Beziehungen, bin ich integer und kann die Verantwortung für mich, meine Kinder und der Beziehung zu anderen überhaupt erst vollumfänglich übernehmen. Dann fühle ich mich auch nicht mehr als Opfer, sondern als Gestalter meines Lebens.

 

 

Warum ist es so essenziell wichtig in der Begleitung unserer Kinder?

Wir können versuchen, unser unliebsames Verhalten, also Symptome, zu verändern. Was nur kurzzeitig etwas bringt und nur oberflächlich wirkt. Denn spätestens, wenn unser Stresssystem überfordert ist, werden wir wieder von unserem Unterbewusstsein gesteuert. Und das greift auf die altbekannten Verhaltensmuster zurück.

 

Verbinden wir uns allerdings in der Tiefe neu, bekommen wir wieder Zugang zu unseren intrinsischen und gesunden Werten. Wir werden wieder spürend für das, was wir selbst brauchen. Und wir können von der Ohnmacht in die Gestaltung kommen und so Stück für Stück eine neue Haltung integrieren. Welche dann aus dem Unbewussten heraus für uns und unsere Werte arbeitet.

 

Erst wenn wir durch unser eigenes Selbstgefühl erspüren können, wie es sich anfühlt, wertvoll zu sein, können wir auch dementsprechend handeln. Erst die eigenen Erfahrungen, es uns wert zu sein, für uns zu sorgen, indem wir es tun, lassen die neuen Verhaltensstrategien langsam in unser Unterbewusstsein sickern.

 

Durch unsere eigene Veränderung geben wir diese neue Haltung an unsere Kinder weiter. Wir leben ihnen vor, Gestalter und damit verantwortlich für ihr Leben sein zu können.

 

Vom Opfer/Täter/Retter zum Gestalter - vom Gehorsam zur Verantwortung



Familienberaterin Aud Taubner

Über die Autorin

Hallo, ich bin Aud. Ich berate im Team von online-familienberater.

 

Geboren 1970, lebend in Frankfurt am Main. Ich habe zwei Töchter großgezogen (1997, 2002) und viele Jahre U3 Kinder betreut. Ich bin familylab Familienberaterin, Trainerin und Dialogprozessbegleiterin „Eltern stärken.“

 

Seit vielen Jahren begleite ich nun Familien und unterstütze sie dabei in ihre Kraft zu kommen.  


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